Thomas Rössner, Lebenshilfen Soziale Dienste

Thomas Rössner erzählt wie er auf den Beruf des Jugendcoach aufmerksam wurde, welche Instrumente es in der Berufsorientierung gibt und ob es in der Beratung notwendig ist, die "Sprache der Jugendlichen" zu sprechen. 

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dabei-austria: Wie wurden Sie auf den Beruf Jugendcoach aufmerksam uns was macht die Arbeit mit Jugendlichen für Sie persönlich so besonders spannend?

Thomas Rössner, Lebenshilfe Soziale Dienste:

Das erste Mal aufmerksam auf den Beruf des Jugendcoaches wurde ich im Rahmen meiner Tätigkeit als Betreuer minderjähriger Flüchtlinge. Dies war zu einer Zeit, als Asylwerber aufgrund der Mangelberufsliste noch die Möglichkeit hatten, eine Lehrausbildung zu beginnen. Vom Willen des Jugendcoaches, den Jugendlichen bei der Berufs- und Lehrplatzfindung eine Unterstützung zu sein, war ich begeistert.

Persönlich glaube ich, dass ich für wenig andere Berufe besser geeignet wäre. Ich versuche Jugendlichen unvoreingenommen gegenüberzutreten und ihre Wünsche/Bedürfnisse ernst zu nehmen, ohne dass ich sie vorab in Schubladen stecke. Spannend an meinem Beruf ist, dass man nicht vorhersagen kann, wie sich Jugendliche weiterentwickeln. Manchmal wirken zwei Jugendliche auf den ersten Blick sehr ähnlich, sieht man aber genauer hin, können die Unterschiede sehr groß sein.

dabei-austria: Wenn Sie eine klassische Situation aus Ihrem Arbeitsalltag beschreiben müssten, welche wäre das?

Thomas Rössner, Lebenshilfe Soziale Dienste:

Ich glaube um die Arbeit des Jugendcoachings zu verstehen, ist es nicht sinnvoll eine „klassische Situation“ aus meinem Arbeitsalltag zu beschreiben. Viel sinnvoller halte ich in diesem Zusammenhang das Wort „Überraschung“ zu erklären. Oft sind Jugendliche bzw. Angehörige (z.B. Eltern, Lehrer, usw.) überrascht, wenn sie mit dem Jugendcoaching zu tun haben. Was, das kann ich alles! Wow, diese Unterstützungsmöglichkeiten gibt es! Ahh, solche Ausbildungen gibt es! Manchmal sind Jugendliche überrascht, was sie alles können. Manchmal ist ein uncooler Beruf sogar cool, nachdem man geschnuppert hat.

dabei-austria: Wie gehen Sie auf Jugendliche zu und wie wichtig ist es dabei die „Sprache der Jugendlichen“ zu sprechen?

Thomas Rössner, Lebenshilfe Soziale Dienste:

Prinzipiell versuche ich in Beratungen mich selbst zurückzunehmen und Jugendliche einmal erzählen zu lassen. Was sind deine Wünsche? Wo siehst du Hindernisse beim Erreichen deiner Wünsche? Wobei möchtest du, dass ich dir helfen? Nur wenn die Ziele von den Jugendlichen selbst kommen, ist eine dauerhafte Realisierung dieser möglich, meiner Ansicht nach. Für viele Jugendliche ist das Jugendcoaching die erste Möglichkeit, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Zumeist wird Jugendlichen beigebracht zu funktionieren und sich diese Fragen nicht zu stellen. Beim Jugendcoaching sind sie daher oft das erste Mal in der Situation, für ihre Zukunft Entscheidungen zu treffen und das fällt ihnen oft nicht leicht.

In der Beratung ist es nicht nötig die „Sprache der Jugendlichen“ zu sprechen. Unser Jugendcoachingteam besteht aus vielen unterschiedlichen Personen, mit unterschiedlichen Erfahrungen und unterschiedlichen Voraussetzungen. Was daher wichtig ist, ist authentisch zu sein. Jugendliche merken sehr gut, ob ihr Gegenüber ernsthaft interessiert ist, mit ihnen an den nächsten „Karriereschritten“ zu arbeiten.

dabei-austria: Es gibt viele Ausbildungsmöglichkeiten und Berufe – wie helfen Sie Jugendlichen dabei einen Überblick zu bekommen?

Thomas Rössner, Lebenshilfe Soziale Dienste: 

Die wichtigsten Instrumente der Berufsorientierung sind meiner Meinung nach die Beschäftigung mit den eigenen Wünsche, das Erkennen der eigenen Talente und das Ausprobieren des Wunschberufes im Rahmen eines Praktikums. Um Herauszufinden was ich gerne mache und was ich gut kann, muss ich mich einmal mit mir selbst befassen bzw. auch einmal mein Umfeld (Familie & Freunde) fragen, wie sie mich einschätzen. Ich persönlich gehen davon aus, dass jeder Talente hat. Leider ist es oft der Fall, dass sich mit diesen im Laufe der Schulzeit nie auseinandergesetzt wurde. Kenne ich meine Talente und Wünsche, kann ich mir überlegen, welche Berufe dazu passen. Damit diese Überlegungen nicht nur Gedanken bleiben, halte ich es im Anschluss daran für essentiell, sie einem Praxistest (Praktikum) zu unterziehen.

dabei-austria: Wenn Sie den Zauberstab für Jugendliche mit erhöhtem Unterstützungsbedarf schwingen könnten, welche Hürden auf deren Weg in den ersten Arbeitsmarkt würden Sie gerne wegzaubern und warum?

Thomas Rössner, Lebenshilfe Soziale Dienste: 

Wo soll ich anfangen … Ich würde mir wünschen, dass in allen Schulen Berufsorientierung und praktisches Lernen einen größeren Stellenwert bekommen. Ich würde mir wünschen, dass Betriebe Jugendlichen mehr Möglichkeiten geben, die Arbeitswelt kennen zu lernen. Ich würde mir wünschen, dass Personalverantwortliche nicht einen fertigen Mitarbeiter*in erwarten, wenn sie einen Lehrling ausbilden, sondern überlegen, wie sie selbst z.B. als 15jährige waren. Ich würde mir von Eltern wünschen, sich an den Talenten der Jugendlichen zu orientieren, und nicht ihre eigenen Erwartungen über den Jugendlichen zu stülpen. Ich würde mir von den Jugendlichen mehr Offenheit gegenüber neuen Vorschlägen wünschen (nicht jedes Mädchen muss Friseurin werden und nicht jeder Junge muss KFZ-Techniker werden) UND von der Politik wünsche ich mir, dass bereitgestellt wird, was es benötigt um Jugendliche in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Oft sind die Wartezeiten bei einem Einstieg in ein arbeitsmarktvorbereitendes Projekt zu lange. Leider gehen dabei immer wieder Jugendliche verloren.